Das ausgefallene Turnier. Ein Gespräch mit Michael Mronz.
Ein Turnier wurde verschoben. Ein sehr großes, internationales mit hunderttausenden Zuschauern. Das Aachener Reitturnier ist die höchst dotierte Pferdesportveranstaltung weltweit und mit 3,3 Millionen Euro die höchst dotierte Sportveranstaltung in Deutschland. Der CHIO kann – wegen des Corona-Virus‘ – nicht Ende Mai/Anfang Juni in der schönen Soers stattfinden. Was bedeutet das für den Veranstalter, den Aachen-Laurensberger Rennverein, und seinen Vermarkter, die Aachener Reitturnier GmbH (ART), wenn die Zuschauer und damit die Eintrittsgelder ausbleiben?
Michael Mronz, Geschäftsführender Gesellschafter der ART, nennt keine Einzelpositionen. Aber er vergleicht das Dilemma mit anderen großen Sportveranstaltern. „Beim Fußball machen je nach Liga die Fernsehgelder zwischen 25 und 40 Prozent des Gesamtbudgets aus. Das ist bei uns natürlich ganz anders.“ Das Fernsehentgelt spiele beim Reitturnier eine untergeordnete Rolle. Die Wirtschaftspartner und das Ticketing seien wichtiger. „Nur wenn dieses Zusammenspiel funktioniert, geht es dem CHIO und dem Reitsport gut.“
Partner, nicht Sponsoren
Mronz spricht stets von „Partnern“, nicht von „Sponsoren“. Das soll eine gewisse Qualität der Beziehungen ausdrücken. Und wie steht es jetzt darum? „Für uns sind die Wirtschaftspartner und die Zuschauer gleichermaßen wichtig. Jeder Zuschauer, egal, ob er eine Stehplatzkarte oder eine VIP-Karte kauft, ist für uns gleich wertvoll. Der Zuschauer soll abends mit einem Lächeln nach Hause gehen. Darauf kommt es an.“ Und der Wirtschaftspartner müsse nach dem Turnier sagen können, dass es sich für ihn gelohnt habe, in den CHIO zu investieren.
Gerade in der jetzigen Situation zeige sich, ob man Vertragspartner oder Partner sei. Auch Zuschauer seien Partner. Dazu gehöre das gegenseitige Verständnis für die Notwendigkeit der Absage. Michael Mronz: „Die Reaktionen sowohl bei den Zuschauern, als auch bei den Wirtschaftspartnern sind sehr positiv nach dem Motto: ,Wie können wir euch unterstützen?‘“ Es gebe eine große Bereitschaft und Offenheit, weil alle sähen, dass man gemeinsam versuche, ein tolles Produkt anzubieten. „Das hat uns gefreut, weil es ein schönes Feedback ist, das wir nicht gebraucht hätten, aber es zeigt den Geist der Partnerschaft.“
Wie reagieren die Zuschauer, die schon früh ihre Eintrittskarten gekauft haben, weil sie sonst gar keine Chance gehabt hätten, noch einen Platz zu ergattern? Verlangen sie ihr Geld zurück? Michael Mronz: „Bezogen auf die Anzahl der Tickets, findet das so gut wie gar nicht statt. Die meisten Kunden, die sich gemeldet haben, haben gefragt, ob sie beim kompletten Ausfall des Turniers ihr Eintrittsgeld spenden können. Faszinierend!“
Und nach Corona?
Was wann wie wo während oder nach Corona sein wird, weiß heute niemand. Ob es neben Eintrittskontrolle, Taschenkontrolle dann eine dritte Kontrolle mit dem Corona-Schnelltest geben wird, zum Beispiel. Auch Mronz kann das derzeit nicht beantworten. „Niemand kann diese Entwicklungen voraussehen.“ Wenn es solche Schnelltests gebe, könne man Großveranstaltungen wieder eher anbieten. „Es ist unabhängig davon wichtig und richtig, eine ernsthafte Risikoeinschätzung zu machen.“
Beim CHIO könne man für sich in Anspruch nehmen, sagt Mronz klipp und klar, dass man in den letzten 25 Jahren mit den Budgets seriös umgegangen sei. Er nennt beispielhaft – sozusagen als Beleg: „Die Reit-WM und die Reit-EM haben wir als erste Veranstalter mit einer schwarzen Null abgeschlossen. Und das ist das Vorzeichen, mit dem wir auch jetzt unterwegs sind.“
Dass es jemals einen CHIO ohne Zuschauer geben werde, könne er sich unterdessen nicht vorstellen. Erörtert wurde es in den verschiedenen Szenarien, aber schnell verworfen. „Das wäre wie Dom ohne Rathaus oder Rathaus ohne Dom.“
An seiner gut gestarteten Initiative für Olympische und Paralympischen Spiele 2032 an Rhein und Ruhr hält er fest. „Die Reitwettbewerbe haben wir in der Soers verortet, da es ökologisch und ökonomisch am sinnvollsten ist.“ Neben Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder Mobilität sei ihm bei der Bewerbung ein Aspekt wichtig: „Wir wollen damit den Wert, den der Sport in unserer Gesellschaft hat, verdeutlichen – im Sinne u.a. von Bewegung, Gesundheit, Integration, Team- und Fairplay. Deshalb bleibt es gerade nach der Corona-Krise wichtig, diese Diskussion zu führen.“ Das habe Auswirkungen auf den Breitensport. „In NRW gibt es 19.000 Sportvereine, davon sind zehn in der Ersten und Zweiten Fußball-Bundeliga, mehr nicht. Der Fokus liegt auf den 19.000, sie sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Um ihre Unterstützung geht es.“
Olympia im Dialog
Die Sportvereine leisteten in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Beitrag für die Wirtschaft des Landes. „Aber man darf an solchen Tagen wie jetzt in der Corona-Krise nicht den Fehler machen, sich selber als das Wichtigste und den Wichtigsten zu betrachten. Man muss den Gesamtkontext sehen. Unsere Aufgabe ist es jetzt nicht, am lautesten nach dem Staat zu rufen, unsere Aufgabe muss sein, unsere eigenen Hausaufgaben zu machen.“ Beim CHIO konzentriere man sich auf die Wirtschaftspartner und auf die Zuschauer, und erst als dritte Möglichkeit prüfe man, ob es Möglichkeiten gebe, Unterstützung der Öffentlichen Hand zu bekommen.
Für Mronz liegt der wesentliche Akzent auf der Frage, ob man selber jemandem helfen könne. „Wir sind in der Lage, handlungsfähig zu sein, auch wenn ein Turnier einmal nicht stattfinden kann. Das haben wir uns gemeinsam mit unseren Partnern erarbeitet. Das ist für uns eine gute Ausgangssituation. Wir haben den Atem, Dinge mit einer gewissen Ruhe zu betrachten und zu bewerten. Das ist sehr wichtig; denn die erste Idee muss nicht immer die beste sein, man sollte auch ein zweites oder drittes Mal überlegen.“
Wie kommt die Olympia-Bewerbung nach der Corona-Krise wieder in die Gänge, wie wird sie in der Mitte der Gesellschaft erfolgreich positioniert? Michael Mronz setzt auf ausführlichen Dialog. „Wir haben schon über 80 Dialogveranstaltungen im letzten Jahr und in diesem Jahr etwa 20 durchgeführt.“ Dazu würden unterschiedliche Gruppen eingeladen. Einladende sind Vereine, Industrie- und Handelskammern, andere Organisationen, es gibt viele Varianten und Traditionen. „Dort stellen wir die Konzeption vor und fordern die Menschen auf, uns ihr Feedback zu geben. Die Bewerbung soll nicht unsere Idee sein, sondern ein Vorschlag. Wir wollen, dass es eine gemeinsame Idee wird, dass aus der Mitte der Gesellschaft heraus ein Gesamtkonzept erarbeitet wird.“ Aus jeder Veranstaltung nehme man Einzelelemente mit, die man, auch abgeändert, in das Konzept integrieren könne.
Ein neuer Zeitplan
Die meisten Menschen überzeuge erstens, dass bereits 90 Prozent der Sportstätten schon vorhanden seien, und zweitens, dass die Investitionen, die getätigt werden, nicht für, sondern wegen Olympia stattfinden, zum Beispiel bei Verkehrskonzepten. Ähnlich gelte das für das Thema Digitalisierung. „Da spüren wir sehr positive Reaktionen, wir merken das sehr deutlich.“
Welchen Zeitplan für die Bewerbung gibt es? Michael Mronz: „Für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) steht fest, dass bei einer eventuellen deutschen Bewerbung nur die Bewerbung Rhein und Ruhr infrage kommt. Den Zeitplan muss man aktuell überarbeiten. Die Grundlage dafür waren bisher die Olympischen Spiele in Tokio 2020, die um ein Jahr verschoben werden. Das Vergabeverfahren beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) hat sich geändert. Es werden nicht mehr sieben Jahre vorher Spiele vergeben, die Vergabe kann flexibilisiert werden, früher oder später als sieben Jahre. Ich persönlich gehe davon aus, dass es früher sein wird. Neu ist die Einrichtung eines Evaluierungskomitees, also eines Dialog-Prozesses mit dem IOC, in dem die Konzepte genau besprochen werden. Nach der Corona-Krise wird man ohnehin analysieren müssen, ob alle Argumente, die für NRW in 2032 gesprochen haben, noch interessant sind. Es geht nicht darum, dass man zwingend hier ein großes Fest des Sports feiern muss, es geht darum, durch Olympia zentrale Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind, voranzubringen.“ (zuerst erschienen im Monatsmagazin BAD AACHEN, Ausgabe Mai 2020); Foto: Bernd Mathieu