Das Unbehagen bleibt. Vor allem in Europa.
Es ist mehr als nur eine Farce, die an miserable Hollywood-Drehbücher oder andere Spinnereien erinnert. Denn nach allem, was wir wissen, basiert das irgendwann feststehende Wahlergebnis in den USA auf einer korrekten demokratischen Wahl, Briefwahl und korrekte Stimmenauszählung inklusive, mag Donald Trump behaupten, was er will. Seine Rede, in der er sich noch während der Stimmenauszählung zum Wahlsieger erklärt, ist ein eindeutiger Angriff auf die Demokratie, war aber seit Tagen angekündigt und ist deshalb nicht wirklich überraschend. Das Unbehagen bleibt.
Dass Trump angesichts dieses weiterhin anhaltenden Kopf-an-Kopf-Rennens überhaupt so reden und polemisieren kann, steht für den ungebrochenen Erfolg der Populisten und Vereinfacher. Das knappe Ergebnis liefert Trump gerade erneut den verheerenden Rückenwind für Willkür, Rücksichtslosigkeit, mangelnden Respekt vor Andersdenkenden, Unberechenbarkeit. Donald Trump hat mit dieser seit vier Jahren hinlänglich bekannten dreisten Strategie erneut das für viele Unfassbare und Befürchtete, für gar nicht wenige sogar Erwartete erreicht: diese Hängepartie und die Desavouierung der Briefwahlen.
Seine zuweilen wirklich bescheuerten Reden, Gesten, Tricks, Verdrehungen, Lügen, Aggressionen haben seine Klientel nicht verunsichert, sondern im Gegenteil deren America-first-Hingabe zu ihrem Heilsbringer Trump eindrucksvoll bestätigt. Sie sind ein Vorbote dafür, wie eine zweite Amtszeit aussehen könnte. So einer erklärt sich eben einfach mal zum Wahlsieger. Der hat keine Hemmungen. Und die Schwäche der Anderen – der Demokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Joe Biden – bestärkt ihn in solch unsäglichem Tun. Unabhängig davon, was wir am Ende erleben werden: Biden war nicht der erfolgversprechende Gegenentwurf zum Despoten Trump. Der amtierende Lautsprecher im Weißen Haus hat in der Schlussphase des Wahlkampfes mit seinem Blendwerk die Stimmung seiner Fans ziemlich genau und ziemlich rücksichtslos getroffen und abgerufen.
Und nun? Kein Jammern, kein Wehklagen, liebe Europäer, unabhängig, ob es mit Trump weitergeht oder doch mit Biden. Loslegen! Agieren statt reagieren! Regieren statt resignieren! Wir wissen dabei leider ganz genau: Eine gemeinsame EU-Position wird es auch jetzt nicht geben. Weder zur USA, noch zu China, Russland, nicht zur Handelspolitik, nicht zu einer transatlantischen Strategie, die diesen Namen verdient, nicht zur geopolitischen Herausforderung, nicht zu einer Außen- und Sicherheitspolitik, die unangenehme Wahrheiten ausspricht. Hier gibt es keine einheitliche Position der EU, übrigens auch keine konkrete Version der Bundesregierung.
Die EU ist so schwach, dass sie nicht mehr ernst genommen wird. Sie ist nicht mehr gut aufgestellt, sie ist nicht souverän, sie ist nicht selbstbewusst, sie ist zerstritten, sie ist nur ein Schatten ihrer Gründungsphase, und trotz aller feierlichen Appelle ist in den letzten Jahren nichts besser geworden. Die EU zerlegt sich in ihre nationalen Einzelteile. Als „Gemeinschaft“ ist sie zum Zuschauer und zum bloßen Zur-Kenntnis-Nehmer degradiert worden. Das ist angesichts ihrer Wirtschaftskraft, ihrer Einwohnerzahl und ihrer demokratischen Werte das Dilemma, das uns diese noch nicht ausgezählte US-Wahl brutal vor Augen führt.
Eine starke, eine einige EU ist die einzige Alternative zu Trump, übrigens auch zu Biden. Lassen wir das Gerede vom „Weckruf“, vom „Gebot der Stunde“ – tun wir jetzt endlich etwas! Notfalls müssen einzelne Mitgliedsstaaten vorangehen. Besser zwei Geschwindigkeiten als keine; denn schlimmer kann es in der EU ohnehin kaum noch werden.
2 Gedanken zu „Das Unbehagen bleibt. Vor allem in Europa.“
Volle Zustimmung.
Auch von mir volle Zustimmung!