Noch ist das Rennen offen
Nur knapp vor der FDP, weit hinter den Grünen, auch weit hinter der Union: Die SPD steckt im Tief. Aber halt: Es sind nur Umfragen. Und die müssen mehr als vier Monate vor der Bundestagswahl noch nicht den endgültigen Knock-out bedeuten. 2017 hat die SPD das erfahren müssen – in umgekehrter Richtung. Der Schulz-Zug war von der Hochgeschwindigkeits-Lok zum lahmen Bimmelbähnchen geworden. Ein veritables Desaster hatte den Schulz-Hype längst abgelöst.
Den norddeutsch staubtrocken wirkenden Olaf Scholz mag mancher schon als hoffnungslosen Kanzlerkandidaten-Fall abgehakt haben. Sein leider so ermüdend monoton vorgetragenes Plädoyer für eine Gesellschaft des Respekts hätte jedoch durchaus das Zeug, einen Nerv zu treffen und einen auf vielen thematischen Ebenen gut strukturierten Wahlkampf einer innovativen Sozialdemokratie zu entwickeln, zu präsentieren und mit vielen klugen Köpfen unseres Landes offensiv zu diskutieren. Dann brauchte man auch nicht den Grünen inhaltlich und wenig souverän hinterherzulaufen, sondern würde eigene und unverwechselbare Akzente setzen. Sie fehlen der SPD schon viel zu lange.
Und von den beiden anderen Kanzlerkandidaten bestimmen weder Armin Laschet noch Annalena Baerbock die Szenerie als unangefochtene Polit-Stars. Die grüne Ikone verheddert sich bereits in den Kleinigkeiten des politischen Alltags und hat zumindest temporär schon etwas von ihrem vermeintlichen Glanz verloren. Sie wird sehr bald mehr bieten müssen, um nachhaltig als kanzlerinnentauglich wahrgenommen zu werden – auch weil sie das sogenannte bürgerliche Lager braucht. Und das wird durch manchen forschen und ultralinken Antrag aus der grünen Basis er- und verschreckt. Das sind ernsthafte Risse in der bröckelnden grünen Harmonie-Fassade.
Armin Laschet hat unterdessen immer noch mit der dreisten CSU-Söder-wäre-besser-gewesen-Kampagne und einigen unverbesserlichen Jammerlappen und schlechten Verlierern in der eigenen Union zu tun. Nachtreten nennt man das. Aber der Aachener ist bewährt darin, so etwas wegzustecken. Er sitzt es nicht aus, sondern er strukturiert und bewältigt das. Dass er sich als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat zur Causa Hans-Georg Maaßen nicht so eindeutig geäußert hat wie der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, war dabei doch nicht überraschend, aber nur kurz danach folgte seine unerwartet deutliche Abgrenzung zur „Werteunion“. Mit diesen Stockkonservativen auf dem rechten Flügel will er nichts zu tun haben – und damit auch nicht mit Maaßen. Das war – auf Laschets Art – eben auch Klartext.
Das Bundestags-Rennen ist noch lange nicht in der Zielgeraden, ja noch nicht einmal gestartet. Zurzeit geht es allenfalls um die Pole-Position. Am Wahlabend hat nicht gewonnen, wer die beste Trainingszeit gefahren ist.