„Verheerende Signale.“
Es ist fast zehn Jahre her. Garri Kimowitsch Kasparow, der ehemalige Schachweltmeister und Gründer der russischen außerparlamentarischen Oppositionsbewegung „Solidarnost“ und Vorsitzender der Vereinigten Bürgerfront, beschrieb in einem Interview klipp und klar sein Heimatland Russland als Diktatur. Die Schlagzeile über dem Gespräch, das ich mit ihm damals führte, lautete in der Aachener Zeitung und den Aachener Nachrichten: „Russland ist eine andere Welt – eine Diktatur“.
Garri Kasparow sagte vor fast zehn Jahren: „Wir haben keine Wahlen, wir haben keine Redefreiheit, wir haben keine Elemente von Demokratie, die für Sie in Europa oder in den USA selbstverständlich sind. Das politische System in Russland ist dem von Weißrussland oder Simbabwe viel näher und ähnlicher als dem in Deutschland oder in Frankreich.“
Auf die Frage, was er von führenden Politikern der Europäischen Union erwarte, antworte er: „Nichts.“ Nichts? „Ja, nichts erwarte ich von denen. Wir haben in den vergangenen Jahren doch gemerkt, dass Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien oder die USA sehr intensiv mit Putin zusammenarbeiten. Ich verlange nicht, dass sie alle Beziehungen beenden, dass sie politische Machthaber wie in China oder in Russland vom Kommunisten zum Demokraten verändern. Es war ja auch schon schlechter, wenn ich an Politiker wie Schröder oder Berlusconi und ihre enge Verbindung zu Putin und seinem Regime denke. Das waren für die russische Öffentlichkeit verheerende Signale.“ Und: „Letztlich steht fest, dass das russische Volk selber den Wechsel herbeiführen muss, Einfluss von außen, politisch wie ökonomisch, hilft uns alleine da nicht.“
Die Frage nach der damaligen Situation der jungen Russinnen und Russen beantwortete er so: „Junge Leute sind mehr und mehr enttäuscht. Sie haben keine Chancen, weil vieles korrupt und unter Kontrolle von wenigen Familien ist. Sie begreifen, dass Veränderungen nötig sind. Aber sie sind auch gefährlich. Die meisten Russen stehen Veränderungen sehr skeptisch gegenüber.“
Vieles klingt, als hätten wir gestern darüber gesprochen. Aber es ist fast zehn Jahre her…
Foto: Michael Jaspers