Bier, Boris und die B-Lösung
Nun ist er da, der neue Verteidigungsminister. Und Boris Pistorius kann ein guter Chef der deutschen Streitkräfte werden. Er hatte diese Woche keine Zeit, sich lange einzuarbeiten. Und er macht den Eindruck, dass er zügig vorgeht, ohne hektisch zu sein. Eine ideale Kombination.
Manche Worte sind entlarvend. Auch aus der SPD hört man Sprüche wie: „Eine Menge Arbeit kommt auf ihn zu.“ Oder: „Er ist ein erfahrener Politiker, der richtige Mann für die Bundeswehr.“ Ein rhetorisches Aufatmen. Von Christine Lambrecht ist da keine Rede mehr, obwohl sie ja nach dem Testat des Bundeskanzlers eine „erstklassige Ministerin“ war.
Einige in der Union haben unterdessen die Personalie nicht nur kritisiert, sondern auch polemisiert. Manches war zum Fremdschämen. Wer Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer auf der Liste erstklassiger Ministerinnen hatte, sollte da mit Bewertungen über Pistorius zurückhaltender agieren und schon gar nicht agitieren. Johann David Wadephul, ein in der Sicherheitspolitik kenntnisreicher CDU-Bundestagsabgeordneter und bislang eine stets an der Sache orientierte Persönlichkeit, nannte Pistorius „eindeutig eine B-Lösung“. Schon vorher hatte er in die Schublade der Primitiv-Unterstellung gegriffen: Weil Kanzler Scholz eine Brauerei besuchte, twitterte Wadephul mit Hinweis auf die großartige BILD tiefergelegt und angepasst auf deren Niveau. Der Kanzler reagiere wie ein Regionalpolitiker. Jo mei, Scholz ist in dieser Angelegenheit mindestens so multitaskbegabt wie die Regionalpolitiker der CSU. Auch die können eine Maß genießen und gleichzeitig regieren, in Bayern ist das eine Selbstverständlichkeit…
Erinnern wir uns daran, wer das Bundeswehr-Dilemma verursacht hat: Es waren vornehmlich die großen Koalitionen unter Angela Merkel mit jeweiligen Verteidigungsministerinnen und -ministern aus der Union und die SPD-Verweigerer, die höhere Wehretats blockierten. Nun sollten beide politischen Lager zu ihrer Verantwortung stehen und sich nicht gegenseitig beschimpfen oder gar verunglimpfen. Die SPD hat ihre „Zeitenwende“ vollzogen, die Union kann doch nun gelassen mit an diesem Strang ziehen.
Es wäre deshalb wünschenswert, wenn in einer so wichtigen Frage wie der Waffenlieferung in die Ukraine der tagespolitische Streit keine unsachliche Chance mehr hätte, erst recht nicht nach Lambrechts Rücktritt.