Reich und doch so arm
Der Aufstieg der AfD und die immer dreistere Art dieser Partei, Intoleranz und Verachtung in die giftigen Umlaufbahnen von fehlendem Anstand zu schießen, basieren auf dem Verlust von Vertrauen.
Verloren haben dieses Vertrauen die einst „Volksparteien“ genannten SPD, CDU, CSU und aktuell auch die Grünen und die FDP in der gefährlich stark flackernden Ampel-Koalition. Sie alle sind die Förderer des Verdrusses, der rechte Strömungen mit einer beängstigenden Energie in Bewegung gesetzt hat, die der AfD alleine nie möglich gewesen wäre.
Insofern ist es gewiss auch Ironie, wenn ausgerechnet Parteien anbiedernd mit ihren Fahnen meinen, die Szenerie bei Demonstrationen gegen Rechts farblich gestalten zu müssen. Das gilt auch für „Spitzenpolitiker“, die sich in die erste Reihe des protestierenden Volks stellen, als seien diese Plätze wie selbstverständlich für sie reserviert.
Insofern wären eher etwas Zurückhaltung, Respekt, vielleicht sogar hin und wieder Demut angebracht. Und vor allem: ein Konzept, eine klare Linie, ein Programm. Ein Manifest für Bildung, für Migration und Einwanderung, für Sicherheit innen und außen, für Europa, für die Überlebensfähigkeit unserer Städte und Gemeinden, für eine Moderne, die geprägt wird von exzellenter Mobilität, anspruchsvoller Digitalisierung, bezahlbarem Wohnraum und anregender urbanen Architektur, von inspirierender Kulturförderung, von umfassenden Initiativen, Plänen und Maßnahmen, die wirklich etwas Positives bewirken und uns nach vorne bringen. Und vor allem: die Menschen überzeugen! Dann lassen sie sich gerne auf Zukunft ein.
Insofern…
Insofern wäre es nützlich, das fahnenreiche Mit-Demonstrieren (als hätte man mit dem Dilemma gegen das demonstriert wird, nichts, aber auch gar nichts zu tun!) engagiert und motiviert zu ergänzen und das Volk darüber zu informieren, wie man die weitere Entwicklung der Nato zu gestalten gedenkt, wie die Bewältigung unserer Demografie, wie die Finanzierung der diversen Sondervermögen und der in den nächsten Jahren rasant steigenden Kosten bei Renten, Kindergrundsicherung, Gesundheitswesen, Energie, Bürgergeld und Infrastruktur.
Insofern wäre es eine gute Idee, die besten Köpfe der Republik und der EU und anderer befreundeter Länder zu einem permanenten intelligenten, klugen und ambitionierten Reallabor der Zukunft zu gewinnen: ohne Partei-Gesülze, ohne kleinkarierte Rechthaberei, ohne lächerliche Bedeutungsschwere Einzelner. Sondern mit der Erkenntnis, dass es tatsächlich so wie bisher nicht weiter geht. Aber dass es anders weiter geht, als die Rechtspopulisten glauben; denn mit ihnen geht gar nichts. Überlassen wir unseren Staat nicht den Vereinfachern, den Respektlosen, den Hetzern. Es geht wirklich ums Ganze!
Insofern ist es vollkommen unangemessen, in unseren Zeiten politische Aschermittwoche à la Franz Josef Strauß mit Bierzelt-Seligkeit und starken Worten, die wiederum nur ausgrenzen, zu inszenieren. Sie sind überflüssig, weil sie spalten und nichts bewirken als Schenkelklopfen auf der einen und Kopfschütteln auf der anderen Seite. Das hilft keinem – außer den politischen Rändern, die immer stärker in die Mitte und in die Parlamente rücken.
Insofern wäre es auch mal klasse gewesen, die Entscheidung von Microsoft, im Rheinischen Revier Milliarden-Investitionen zu tätigen, wäre von den demokratischen Parteien mit uneingeschränkter Freude zur Kenntnis genommen worden. Stattdessen auch hier das Übliche: Die SPD reklamiert das Verdienst für die Ansiedlung für sich, CDU und Grüne kontern, und schon stecken wir sogar bei einem so positiven Ereignis im unsäglichen politischen Gelaber, das niemand mehr hören will.
Insofern: Wir hätten allen Grund zur Zuversicht gerade in diesen schwierigen Zeiten. Wenn nicht wir, wir in dieser Demokratie, wir in diesem immer noch reichen Land, wer dann soll den Ton für mehr Selbstbewusstsein, mehr Mut, mehr Schwung angeben? Wir, in diesem reichen und manchmal doch so armen Land!
2 Gedanken zu „Reich und doch so arm“
Brillante Analyse wie ein Deckel auf den Topf, in dem sich jüngst bei der komplett hilflosen Maybrit Illner Kevin Kühnert und Jens Spahn gegenseitig abkochten – und Beatrix von Storch nur grinsend zuhören musste, um der AFD Geschmack zu geben. Mir kam der Brechreiz.
Wen könnten wir denn noch brauchen? Wer traut sich Politiker oder Politikerin zu sein? Bestimmt keine billigen Populisten?