Dieses Turnier!
Und schon ist es wieder zu Ende. Fast. Dieses Turnier. Dieses einzigartige Ereignis Aachener Provenienz. Diese Woche außerordentlicher Dominanz der Perfektion und der Emotion gleichermaßen. Bevor uns an diesem Sonntag der „Abschied der Nationen“ sein ebenso wehmütiges wie glückseliges, aber leider kompromissloses, da endgültiges Finale kredenzt, sollte die Dimension des CHIO auch hier und heute beschrieben werden.
Ja, das ist Sport auf hohem Niveau, hier dominieren das Spannende, das Mietfiebernde, das Beglückende, das Enttäuschende, das Begeisternde, das Aufwühlende, das Beruhigende in einem wunderbaren Mix von manchmal nur in Sekunden zu messenden Gefühlsveränderungen. Momente schaffen aus dem Nichts Stimmungen.
Da ist der schnelle Digitalblick auf die App mit ihren Ergebnislisten. Die auf den Tribünen kaum noch aufzuspürende Nostalgie, Fehlerpunkte akribisch exakt auf verknitterte Listen aus Papier, ja wirklich aus Papier, einzutragen, ist eine liebenswürdige Angewohnheit aus alten Zeiten.
Dieses Turnier hat keine Beiläufigkeiten. Alles wirkt geplant, gewollt, beabsichtigt und zuweilen dennoch spontan, erfrischend, direkt. Das Kaleidoskop der Begegnungen, Beobachtungen, des Hochleistungssports und des trotz der vielen Menschen irgendwie doch noch gelassenen Schlenderns über das weiträumige Gelände garantiert – wenigstens vorübergehend – den Genuss individueller Lebensfreude mitten im kollektiven Trubel des Geschehens um einen herum.
Dreifache Kombination
Ähnlich verhält es sich mit der Organisation dieses bemerkenswerten sportlichen und gesellschaftlichen Ereignisses. Auch hier verbindet sich individuelle Gestaltungskompetenz mit kollektiver Teamleistung und dem Verzicht auf jede persönliche Bedeutungsschwere. Diese dreifache Kombination bildet jene Hürde, die anderswo – etwa in der Politik – zu anspruchsvoll ist. Der Aachen Laurensberger Rennverein kann im Jahr seines hundertsten Turniers ausnahmsweise mal völlig auf sich selber blickend durchaus stolz auf die beeindruckende Geschichte und ihre beeindruckenden Ensembles in der Führung und Organisation des Vereins stolz sein.
Die Seriosität ebenso kompetenter wie detailgenauer Planung, der Mut, immer wieder etwas Neues zu wagen, nicht zu verharren in der Bequemlichkeit unangebrachter Zufriedenheit, zeichnen seit Jahren und Jahrzehnten auf seine Weise dieses weltweit so beliebte und anerkannte Turnier aus.
Kein Stillstand
Für diese permanente Ablehnung von Stillstand stehen Eckpfeiler wie neue Tribünen, wie der CHIO-Campus mit seiner Akademie, wie die geräuschlos und ohne plakative Aufdringlichkeit installierte Digitalisierung, wie die Planung einer neuer Halle und eines weiteren Turnierplatzes, wie die Sensibilisierung und Kontrolle des Tierwohls, wie den ständigen Ausbau des Kunden-Service, wie die moderate Aufwertung wichtiger Programm-Events etwa mit der Verschiebung in den Flutlicht-Abend, wie den gelungenen Wechsel der Geländeprüfung vom Aachener Wald in das Gelände der Soers. Und wie den Zuschlag für die Weltmeisterschaft 2026, dem jüngsten nicht zu toppenden internationalen Gütesiegel.
Das Turnier hat so viele Facetten, Gesichter, Augenblicke. Blitzschnell tritt dann zuweilen ein Reflex auf wie nach einem Null-Fehler-Ritt von Richard Vogel, im Springreiten der Trendsetter der Woche: Jubel, Trubel, Heiterkeit! Und schon wird die nächste Reiterin, der nächste Reiter mit seinem treuen Begleiter, dem Pferd, angekündigt. „Nerio de la haute Bruyeres“, „Chacco S Airman Ps“, „Picco Bello van het Panishof“, „Kasanova de la Pomme“, „Pretty Woman van‘t Paradijs“, „Bonne Amie“. Die Namen der vierbeinigen Sportlerinnen und Sportler beweisen, dass der menschlichen Phantasie keine Grenzen gesetzt sind.
Die Dramaturgie erfolgreicher Weiterentwicklung über so viele Jahre steht für Kontinuität auch an der Spitze des ALRV mit unterschiedlichen Präsidenten und unterschiedlichen Charakteren. Der ALRV hat die jeweils anstehenden Nachfolge-Regelungen gut und langfristig vorbereitet und damit nicht zuletzt auch Souveränität in Personalfragen bewiesen. Das alles ist nicht selbstverständlich. Diese offensichtlich schnörkellose Entwicklung wird vorgegeben von einem Rhythmus, der den lebendigen Takt in der Welt der Pirouetten, Hindernisse und Zeitfenster vorgibt, die ja ohnehin den Pferdesport bestimmen.
So aktuell, so geplant kann Erfolg daherkommen und eine Bestätigung dafür sein, dass Liebe zur Tradition und gleichermaßen zur Veränderung keinen Widerspruch darstellt. Ihre Basis hat sie in der völligen Immunität gegen Illusion, Wichtigtuerei und Oberflächlichkeit.
Diese ziemlich einzigartige Wertschöpfungskette ist beeindruckend und vor allem: Sie tut der Stadt Aachen und der Region gut. Und nun freuen wir uns auf den „Großen Preis“ und auf den „Abschied der Nationen“ – viel Vergnügen!
Fotos: media-mathieu