„Ich will gestalten“
Die StädteRegion Aachen wird 15 Jahre alt. Dazu habe ich ein Gespräch mit Städteregionsrat Tim Grüttemeier geführt. Hier Auszüge daraus:
Sogar Politikerinnen und Politiker aus dem Städteregionstag behaupten, dass nur wenige Menschen die StädteRegion kennen. Stehen Sie an der Spitze eines nahezu unbekannten Gebildes?
Ich stehe an der Spitze einer modernen Verwaltung, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich eine Vielzahl von Dienstleistungen für die Menschen unserer Region erbringen. Unbekannt? Das sehe ich nicht so. Ich selber merke bei vielen Terminen vor Ort, dass die Menschen mittlerweile die StädteRegion kennen. Natürlich nicht mit sämtlichen Aufgaben. Doch das finde ich auch gar nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass wir als StädteRegion effektive und gute Arbeit für die Menschen leisten. Besonders in der Corona-Pandemie sind bei uns die Fäden zusammengelaufen. Hunderttausende Menschen wurden beispielsweise in unseren Impfzentren geimpft. Auch nach der Flutkatastrophe waren wir für die Menschen da – wir haben vor Ort in Stolberg und Eschweiler unbürokratisch geholfen, um denen, die alles verloren hatten, zu helfen.
Aber wir können nicht nur Krise: vor einigen Wochen sind zum Sommerfest der StädteRegion Aachen über 10.000 Menschen in die Soers gekommen. Ich denke, dort haben wir eine gute Visitenkarte abgegeben.
Die StädteRegion wird 15 Jahre jung. Was ist heute besser als vor 15 Jahren?
Es läuft runder und selbstverständlicher. Da musste sich sicherlich manches finden und einschleifen. Das halte ich für normal, aber gerade in den sog. „Fusionsämtern“, also dort, wo wir Aufgaben zusammengeführt haben, sind wir leistungsfähiger und effektiver geworden. Ich habe eben schon auf die Corona-Pandemie zurückgeblickt: diese krisenhafte Situation mit zwei Gesundheitsämtern zu bewältigen, mag ich mir kaum vorstellen.
„Der Titel auf der Karte ist egal“
Wir sind aber auch in der Lebenswirklichkeit unzähliger Menschen angekommen: 53.000 Kinder in Kitas und Schulen der StädteRegion haben von der Bildungszugabe profitiert, Jahr für Jahr leistet unsere Wohnraumförderung einen wirksamen Beitrag, um bezahlbaren Wohnraum zu fördern – zuletzt 111 Millionen in 2023 (!), was landesweit ein Spitzenwert ist. Ein weiterer Erfolg ist zum Beispiel der Zusammenschluss der Energie- und Wasserversorger STAWAG und enwor. Wie wichtig … teils existenziell wichtig … das Thema „bezahlbare Energie“ ist, haben wir in den letzten Jahren schmerzvoll erlebt. Hier halte ich einen starken, regionalen und kommunal getragenen Energieversorger für unverzichtbar.
Was könnte besser sein als vor 15 Jahren?
Ein Thema, das mir besonders wichtig ist, ist die „Digitalisierung“. Dass wir auch im Jahr 15 nach Gründung der StädteRegion Aachen noch eine papiergebundene Verwaltung sind, treibt mich um. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern weitaus stärker als bisher die Möglichkeit geben, unsere Dienstleistungen auch digital in Anspruch zu nehmen, beispielsweise die Beratung junger Eltern per Videokonferenz. Allerdings ist mir genauso wichtig, dass wir für alle Menschen und in unterschiedlichster Weise erreichbar sind. Die Aachen-Arkaden sind ein gutes Beispiel: Hier befinden sich das Gesundheitsamt, der Gesundheitskiosk, das Versorgungsamt, eine Zweigstelle des Ausländeramtes und das Kommunale Integrationszentrum. In zentraler Lage entsteht ist hier eine große Dienstleistungsstätte, die weiter aufwachsen wird, in der Menschen persönlich beraten und betreut werden.
Mal ehrlich: Wären Sie nicht viel lieber der „Herr Landrat“, das hat doch einen anderen Klang als „Städteregionsrat“…
Für die Menschen bei uns bin ich „Tim“ oder „Herr Grüttemeier“, daher ist der Titel auf der Karte egal. Ich will gestalten und bin froh, dass ich das in diesem Amt tun kann.
Sind die Wege für die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich kürzer und einfacher geworden? Können die Menschen einen alltäglichen Nutzen spüren?
Ja, davon bin ich überzeugt. Das Straßenverkehrsamt betreiben wir ja schon seit 2001 gemeinsam am Aachener Kreuz. Gerade hier ist bei den Zulassungen und den Führerscheinen heute schon viel digital möglich – aber ich sehe auch noch Potential. Wichtig ist, dass wir Dinge anpacken und wenn ich an das Ausländeramt denke, mit hoch motivierten Kolleginnen und Kollegen teils unkonventionelle Wege gehen, um die Situation für die Menschen zu verbessern.
Es gab viel Lob für die StädteRegion während der Corona-Zeit, aber viel Kritik beim Elterngeld. Da haben Sie sich schließlich selber eingeschaltet.
Dort ist im Sommer 2023 aus unterschiedlichsten Gründen ein Antragsstau entstanden, der mit dem vorhandenen Personal nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Tatsächlich habe ich mich dann persönlich eingeschaltet, eine Taskforce aus den verschiedensten Ämtern der Gesamtverwaltung zusammengestellt, die nach zwei Tagen ihre Arbeit aufgenommen und den Antragsstau binnen einem Monat abgearbeitet hat. Seit einem Jahr haben junge Eltern binnen einer Woche einen persönlichen Termin oder können sich wie online beraten und durch den Antrag führen lassen. Jeder Antrag wird nach spätestens zwei Wochen bearbeitet. Die Kolleginnen und Kollegen dort leisten richtig gute Arbeit.
„Unser Erfolgsmodell ist Vertrauen.“
Die StädteRegion wird seit ihrem Beginn von einer schwarz-grünen Koalition regiert, die es auch schon viele Jahre vorher im Kreis Aachen gab. Was ist das Erfolgsgeheimnis dieser ungewöhnlich langen Zusammenarbeit zweier durchaus unterschiedlicher Parteien?
Tatsächlich gibt es seit Oktober 1994 – also seit exakt 30 Jahren – eine schwarz-grüne Zusammenarbeit im Kreis und dann der StädteRegion Aachen. Ich glaube, unser Erfolgsmodell ist Vertrauen. Zudem, dass beide Partner immer versucht haben, den jeweils anderen in seinen Positionen zu verstehen und Kompromisse zu schließen. Und wir diskutieren, anders als andere Koalitionen, schwierige Fragen hinter verschlossener Tür und kommen mit einer gemeinsamen Lösung raus.
Welches andere Amt reizt Sie? Bei welchem Angebot werden Sie schwach?
Wenn der DFB anruft und einen neuen Sportdirektor braucht, könnte ich wahrscheinlich nicht widerstehen. Nein, im Ernst: Städteregionsrat zu sein, macht mir viel Freude. Das ist eine großartige Aufgabe und ich möchte hier in meiner Region weiter Positives für die Menschen schaffen. Daher stelle ich mich auch zur Wiederwahl.
Welche Schwerpunkte sehen und setzen Sie für die nächsten fünf bis zehn Jahre, die wesentlich sind für die StädteRegion?
Es geht im Kern darum, die Projekte zu realisieren, die wir in den letzten Jahren angestoßen haben und über die wir zum großen Teil in den vorangegangenen Fragen schon gesprochen haben. Das ist eine meiner Hauptmotivationen, wieder anzutreten. Allen voran die beiden Ankerprojekte im Strukturwandel des Rheinischen Reviers, der Forschungsflugplatz Würselen Aachen und Bio4MatPro in Baesweiler. Außerdem sehe ich beim Kraftwerk Weisweiler und beim Euregio Railport Stolberg sehr großes Potenzial. Des weiteren Ausbau unserer Kitas und Schulen, die Investitionen in Bevölkerungsschutz oder RegioTram und Euregiobahn.
Das Interview ist in der Oktober-Ausgabe des Magazins BAD AACHEN erschienen. Titelfoto: StädteRegion Aachen, Andreas Herrmann
Vollständige Version des Interviews online unter: www.bad-aachen.net