
Der Menschenfreund
Papst Franziskus ist tot. Das hat der Kardinalkämmerer des Vatikans, Kevin Farrell, am Vormittag bekannt gegeben. In einer Videobotschaft, die um 9.47 Uhr live übertragen wurde, hieß es, dass Franziskus am Montagmorgen um 7.35 Uhr gestorben sei. Der Papst wurde 88 Jahre alt. Der Argentinier stand seit 2013 an der Spitze der katholischen Kirche. Gestern hatte Franziskus noch den Segen Urbi et Orbi gespendet, mit schwacher Stimme und spürbar gesundheitlich schwer angeschlagen.
Christliche Ethik geht davon aus, dass gerade die Interessen der Machtlosen zu berücksichtigen sind. Die Kirchen haben Missstände aufzuspüren, anzusprechen und möglichst zu beseitigen. Kirche sollte mehr als alle anderen in der Lage sein, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Unbehagen zu artikulieren, gehört zu ihren vornehmsten Aufgaben. Franziskus machte es immer wieder vor: Taktisches Schwanken zwischen Anpassung und Anmaßung war ihm zuwider. Und das war seine Hauptbotschaft in seinem Pontifikat: Kirche darf aus falscher Rücksichtnahme oder purer Bequemlichkeit nicht schweigen.
Nun mag man, und das zu Recht, darüber diskutieren und analysieren, was dieser Papst letztlich bewirkt oder trotz aller Rhetorik in dieser Kirche nicht bewirkt hat, in welchen wesentlichen Fragen er sich nicht durchsetzen konnte, wo er an der Kurie im Vatikan gescheitert ist. Eines kann man ihm nicht verweigern: den Respekt vor seiner klaren Sprache und seinem unermüdlichen Einsatz für die Schwachen.
Der erste Jesuit im Papstamt sprach stets die wesentlichen Themen schnörkellos an: die Würde des Menschen, die Rücksichtnahme auf das Gemeinwohl, die Absage an jede Form von Egoismus, die Bedeutung der Familie und der Erziehung, den behutsamen Umgang mit der Natur und die Lösung des Migrantenproblems.
Und der Karlspreisträger des Jahres 2016 hatte eine für ihn ganz besonders wichtige Botschaft: Tut etwas für die jungen Leute in Europa! Lasst das nicht so weiterlaufen! Franziskus stellte immer wieder eine für die Zukunft Europas überlebenswichtige Frage: „Wie können wir unsere jungen Menschen am Aufbau teilhaben lassen, wenn wir ihnen die Arbeit vorenthalten? Wie können wir behaupten, ihnen die Bedeutung von Protagonisten zuzugestehen, wenn die Quoten der Arbeitslosigkeit und der Unterbeschäftigung von Millionen von jungen Europäern ansteigen?“ Diese Fragen in seiner Rede bei der Karlspreis-Verleihung in Rom klingen noch heute wie eine Anklage, eine mehr denn je sehr aktuelle!
Das Oberhaupt von 1,4 Milliarden Menschen verzichtete von Anfang an konsequent auf den üblichen Pomp und einige bis dahin ganz selbstverständliche Insignien päpstlicher Macht. Er predigte nicht nur Bescheidenheit und Demut, sondern lebte sie in unverdrossener Konsequenz. Aber er konnte auch seine Stimme heben, die Energie verriet und eben nicht nur Demut. Da hatte man zuweilen das Gefühl, dass ihm der päpstliche Kragen zu platzen drohte. In einer Ansprache bei einer Bischofssynode im Jahr 2014 sagte er. „Eine Grundbedingung ist es, offen zu sprechen, keiner soll sagen: ,Das kann man nicht sagen, sonst könnte man ja schlecht über mich denken.‘“

Der Kardinal aus Argentinien übernahm bei seiner Wahl 2013 ein schweres Erbe angesichts der Skandale rund um die unfassbaren Missbrauchsfälle, aber auch bei Themen wie „Vatileaks“, Vatikanbank und anderen eher unchristlichen Themen. Man spürte zwar das Bemühen um einen Aufbruch, aber dringend erforderliche Lösungen bewirkte das in den Jahren danach letztlich nicht. Vieles hat er angestoßen, vieles konnte er leider nicht zu Ende führen. Die katholische Kirche blieb und bleibt schwer angeschlagen.
Franziskus war zudem durchaus ein politischer Papst, aber das Amt setzte ihm und seinem tatsächlichen Einfluss Grenzen. Immerhin und ganz wesentlich: Dieser Papst verströmte Wärme und Herzlichkeit und war den Menschen näher als manche Dogmen, Riten und Traditionen. Da stand nicht die strenge Bindung an Regeln und Liturgie im Vordergrund, sondern eine große Offenheit nach der Devise: Wir müssen gestalten und den Glauben in Freude leben!
Dieser Papst mit seiner großartigen Ausstrahlung, seiner Offenheit und Freundlichkeit, war ein Seelsorger, vor allem: ein Menschenfreund. Franziskus hat selber bestimmt, dass er seine letzte Ruhestätte nicht im Petersdom, sondern in der römischen Kirche Santa Maria Maggiore haben wird.
Alle Fotos:Bernd Mathieu
Ein Gedanke zu „Der Menschenfreund“
Wir lernen, dass ein Stellvertreter auf Erden ersetzbar ist. Dieses Amt ist in der christlichen Gemeinschaft, die ja noch andere Päpste kennt, der schwierigste Job unter Männern im Klerus. Jeder Papst scheitert an der Kurie, das ist seine begrenzte Aufgabe. Und der Preis für weiße Roben. Ein Papst wird sich sicher nicht bereichern, wozu auch? Er weiß ja wie Spitzenpolitiker die Welt bügeln. Alte Männer führten (zuletzt) das Ruder, so wird es vermutlich bleiben. Unter anderem ein Grund, warum ich keine Verbindung mehr herstellen kann. Dennoch war dieser Papst ein Hoffnungsträger mit unprätenziosen Botschaften. Ob es wohl mal einen farbigen Botschafter geben wird? So viel Mut kennt die Kurie nicht.