Glanz, Tristesse, Provinz
Stell‘ Dir vor, Du gehst ins Ludwig Forum Aachen, und da sind mehrere hundert Leute. Nein: Du bist nicht in eine erfolgreiche Ausstellung und für LuFo-Verhältnisse geradezu sensationelle Besucherzahlen geraten. Solche Events gab es mal. Früher. Ziemlich lange ist das her, leider.
Ja: Du besuchst natürlich ein Konzert. So wie am Samstagabend. Was für eine schöne, eine gute, eine ausgezeichnete Idee des Sinfonieorchesters Aachen. „BAROCK IN FUSION“ lautet der Titel: Barock rockt! Das Sinfonieorchester und eine Jazz-Formation mit den wunderbaren Musikern Herbert Walser-Breuss (Trompete und Flügelhorn), Thor-Harald Johnsen (Laute, Chitarrone, Barockgitarre), Florian King (Bass), Tobias Steinberger (Percussion) und der einzigartigen Winnie Brückner unter der musikalischen Leitung von Benjamin Bayl – sie geben dem Forum jenen Esprit und Glanz, die es eben zu mehr als „nur“ einem Museum machen. Da haben die Könnerinnen und Könner des Aachener Orchesters phantastische Partner gefunden. Ein perfekter Abend mit Musik aus der Barockzeit und Jazz: Das konfigurieren die Künstlerinnen und Künstler zu einer Musik von einem Klangfarben-Reichtum, den man einfach nur genießen kann. Ein großes Geschenk!
Wie kühl, kalt, unaufmerksam und ohne jede Ambition ist da die Visitenkarte des Hauses: Die Besucherin und der Besucher wandeln durch ein Foyer, das eigentlich keins ist, sondern ein Abstellraum für (jedenfalls an diesem Abend) nicht benötigte Tische und Stühle, das Stillleben könnte heißen: Stuhl- und Tischdesign in Weiß mit rotem Feuerlöscher. Hier überzeugt das gesamte Präsentationstalent des LuFos mit gewiss beabsichtigtem weil künstlerisch wertvollem Minimalismus.
Hier war mal ein Restaurant, dann wurde der Eingangsbereich samt Foyer für einige hunderttausend Euro aufwändig umgebaut, um endlich den üblichen Öcher Leuchtturm-Ansprüchen zu genügen. Der Besucher wurde fortan durch den Shop in die Ausstellung geführt, und es gab einen Getränkeautomaten und sogar auch draußen Sitzgelegenheiten.
Zurück zu Samstagabend. Man gelangt schnurstracks durchs Foyer und bis zur Mulde, da ausgestellte Kunst großflächig an diesem Abend nicht stattfindet. Der weite Raum ist – besenrein sauber – gestalterisch überwiegend sich selber überlassen. Aber er wirkt enorm – Titel: Kunst der Leere. Wo man bei einem kulturaffinen Publikum für das Haus und seine grandiosen Werke mit allen Registern eines professionellen Marketings hätte werben können: nichts. Auch während der Pause bleibt es dunkel und ungastlich. Man fühlt sich eher an die Tiefebene eines Parkhauses erinnert als an ein vor Kreativität strotzendes lebendiges Forum. Und da auch kein Getränk zum Verkauf angeboten wird, geht man lieber raus. Vor die Tür. Durch den leergeräumten Ex-Shop, der sich jetzt auf eine kleine Thekennische, Ticketverkauf inklusive, beschränkt. Sagen wir positiv: focussiert.
Da springt einem aus den Kulissen dermaßen großformatiges Desinteresse entgegen, dass es schon peinlich wirkt. Eine Besucherin nennt es empört: provinziell. Aber das mag ich nicht glauben; denn das Forum für Internationale Kunst wird mit dieser düsteren Tristesse-Installation gewiss etwas kulturell Hochstehendes beabsichtigt haben. Was, weiß ich nicht, weil ich es (noch) nicht verstanden habe. Entschuldigen Sie bitte dieses eigentlich unverzeihliche Versäumnis! Das ist nun wirklich provinziell.
Fotos: media-mathieu
Ein Gedanke zu „Glanz, Tristesse, Provinz“
Jeder Satz: so wahr. Die Kritik: so treffend. Das Fazit: Für eine Kulturstätte mit höchstem Anspruch: nur peinlich und fahrlässig unambitioniert. Aber provinziell? Die Provinz ist besser als ihr Ruf. Die Provinz hat ganz oft mehr zu bieten. Zumeist keine Weltkunst, aber zumindest Wilkommenskultur.